Am Donnerstag, den 28.11., versammelten sich zahlreiche Zuschauer zur Fachpremiere des Films „VENA“ im Erfurter Cinestar – ein Zeichen für das große Interesse an diesem gesellschaftlich relevanten Thema. Mit intensiver Recherche, beeindruckendem Schauspiel und einer fesselnden Handlung wirft der Film einen eindringlichen Blick auf die Zerrissenheit einer jungen Frau. Die Hauptdarstellerin ringt mit ihrer Vergangenheit, Suchtproblematik, Schwangerschaft und Beziehung – ein andauernder Kampf, der von der Regisseurin und Autorin Chiara Fleischhacker feinfühlig inszeniert wurde und die Zuschauer mitten ins Herz trifft. Der Film unterstreicht die Dringlichkeit einer vernetzten Zusammenarbeit, um Betroffene effektiv unterstützen zu können, und eröffnet damit eine Diskussion, die über die Leinwand hinausreicht.
Der Appell nach einer funktionierenden Vernetzung fand seine Fortsetzung in der anschließenden Podiumsdiskussion, die mit einer beeindruckenden Vielfalt an Perspektiven besetzt war. Expertinnen und Akteurinnen aus unterschiedlichen Bereichen – darunter Justiz, Politik, Medien, Kunst und Suchthilfe – traten in den Dialog: Lisa Ludwig (Journalistin und Autorin), Hilly Škorić (Geschäftsführerin Hilf-Reich e.V. und ehemalige Intensivstraftäterin), Astrid Baumann (Präsidentin des Oberlandesgerichts a.D., Deutscher Juristinnenbund e.V.), Chiara Fleischhacker (Regisseurin und Autorin von VENA), Emma Nova (Hauptdarstellerin), Heike Werner (Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie) sowie Gisela Frank (Caritas-Suchthilfezentrum). Einig waren sich alle darüber, dass es eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stellen und leicht zugängliche Angebote braucht, damit die Unterstützung wirklich funktioniert.
Ein gelungenes Beispiel für eine erfolgreiche Unterstützung von Müttern in herausfordernden Lebenssituationen ist das „Mehr Mut!-Projekt“. „Das ist ein Erziehungskurs, den wir hier zusammen mit der Schwangerschaftsberatung der Caritas durchführen“, erklärt Caritas-Mitarbeiterin Gisela Frank, „und das ist wirklich eine tolle Sache, weil hier beides zusammenkommt – und dass die Mütter als Mütter angesprochen werden und nicht als Menschen mit einer Suchterkrankung. Sondern das Primäre ist das ‚Ich möchte eine gute Mutter sein‘. Und die Frauen dort abzuholen. Denn das ist eine unheimlich prägende Zeit, wo eine so große Motivation entstehen kann, einen neuen Anfang zu wagen."
Das „Mehr Mut!-Projekt“ zeigt als ein Paradebeispiel, wie wichtig vernetzte Angebote und ein wertschätzender Ansatz sind, um Mütter in schwierigen Lebenslagen zu unterstützen – genau wie es der Film „VENA“ auf bewegende Weise thematisiert. Die Premiere und die anschließende Podiumsdiskussion verdeutlichten einmal mehr, wie entscheidend es ist, Menschen nicht auf ihre Probleme zu reduzieren, sondern ihre Ressourcen und Motivationen in den Mittelpunkt zu stellen. So kann – wie im Film und im Projekt – ein Weg zu einem neuen Anfang entstehen.
Hintergrund zum „Mehr Mut!-Projekt“
Das "Mehr MUT!-Projekt" ist ein spezielles Erziehungskompetenztraining für Mütter mit einem Suchthintergrund, das auf ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmt ist. Entwickelt von der KatHO NRW und dem SkF Köln e.V., wird das Angebot im Rahmen der Bundesinitiative Frühe Hilfen gefördert und in Erfurt vom Caritasverband umgesetzt. Die Zielgruppe umfasst Mütter, die vor oder während der Schwangerschaft Alkohol, Tabak oder Drogen konsumiert haben oder deren Umfeld von Substanzmissbrauch betroffen ist. Das Programm bietet ihnen eine sichere und verständnisvolle Umgebung, um ihre Erziehungskompetenz zu stärken, Stress besser zu bewältigen und eine stärkere Bindung zu ihren Kindern aufzubauen. Das Training findet einmal jährlich statt, umfasst 10 Sitzungen à 2 Stunden und wird von Beraterinnen aus der Schwangerschafts- und Suchtberatung geleitet. Parallel wird eine Kinderbetreuung angeboten, um die Teilnahme zu erleichtern. Seit 2013 profitieren bis zu acht Frauen pro Durchgang von diesem erfolgreichen Modellprojekt, das 2025 erneut durchgeführt werden soll.
Hintergrund zur Regisseurin Chiara Fleischhacker und dem Film „VENA“
Der Film „VENA“ ist die Abschlussarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg von Chiara Fleischhacker. Vorausgegangen ist diesem vier Jahre intensive Recherche und Umsetzung. Aufgewachsen ist Regisseurin Chiara Fleischhacker in Erfurt, wo sie mittlerweile wieder lebt. In diesen Film bringt sie persönliche Erfahrungen ein: Sie hat selbst jahrelang mit Suchterkrankungen, insbesondere Mischformen von Essstörungen, gekämpft. Ihre eigene Schwangerschaft gab den Anstoß, sich tiefgreifend mit dem Thema „Sucht und Schwangerschaft“ auseinanderzusetzen – der Kern des Films.
„VENA“ hat bereits große Anerkennung erfahren und wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Thomas-Strittmatter-Preis für das Drehbuch auf der Berlinale, dem Nachwuchspreis beim First Step Award und einer Auszeichnung beim Filmfest Hamburg in der Kategorie Deutsche Kinoproduktion.