Ende Oktober fand die diesjährige Vertreterversammlung des Caritasverbandes für das Bistum Erfurt e.V. in der Bildungsstätte "St. Martin" in Erfurt statt. Der öffentliche Teil der Veranstaltung widmete sich dem Caritas-Jahresthema 2018 "Jeder Mensch braucht ein Zuhause".
Zunächst führte Diözesan-Caritasdirektor Wolfgang Langer in das Thema rund um bezahlbaren Wohnraum, Wohnungslosigkeit und damit einhergehende soziale Spaltung ein. Er gab an, dass die Suche nach bezahlbarem Wohnraum nicht nur für Familien mit Kindern ein Dauerbrenner sei. Mit steigenden Mietpreisen, auch in Verbindung mit individuellen sozialen Problemen, können Ängste erwachsen: "Ängste hingegen sind ein Nährboden für jeglichen Populismus", so Langer. Als Beispiel nannte er die drohende Altersarmut und die Angst der Menschen davor. Eine "Spirale der Armut" sei dabei nur der Startschuss von sozialer Segregation. Der Caritasdirektor plädierte vor dem Hintergrund des aktuellen Jahresthemas dafür, dass es allen Menschen möglich sein muss, angemessenen Wohnraum zu finden - denn, keine Wohnung hieße keine postalische Adresse, keine Arbeit, kein Einkommen, kein Konto und oft gescheiterte Beziehungen durch Suchterkrankungen und deren Folgen. Doch solle der Blick nicht nur auf den Städten liegen, auch der ländliche Raum stand bei der Vertreterversammlung im Blickfeld des Spitzenverbandes der freien Wohlfahrtspflege. Dabei, so Langer, sei die "Stärkung des ländlichen Raumes z.B. mit dem Ausbau der ärztlichen Versorgung sowie der Pflegestrukturen nicht weniger wichtig als alle Bemühungen gegen die Gentrifizierung unserer Städte." Eine Studie der Caritas zeige deutlich: Bezahlbares Wohnen gehöre neben Pflege, Kinderarmut und Alterssicherung zu den drängendsten politischen Themen unserer Zeit.
Im Anschluss folgte zum Jahresthema ein Vortrag des Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow. Mit großer Sachkenntnis und Umsicht bewertete er die Fragen nach Wohnraum als "hochexplosives Thema", das sozialen Sprengstoff enthalte. Dabei seien diejenigen, "die Unterstützung brauchen oft am Stillsten". Die vielfach diskutierte Mietpreisbremse sei zwar ein "schönes Wort", könne aber nicht die ursprüngliche Intention realisieren, die "galoppierenden Mietpreise" zu reduzieren; das Gegenteil sei der Fall, so Ramelow. Er plädierte dafür, "differenziert in die Themen hineinzugehen, ohne sie unter den Teppich zu kehren". Er erkenne einerseits den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Stadt - diesem Anliegen stelle er sich bereits aktiv - attestierte dem Freistaat aber auch ein Verteilungsproblem der freien Wohnungen. In ländlichen Räumen gebe es genügend Wohnraum, der erschlossen werden könne. Doch, so der Ministerpräident, sofern über den ländlichen Raum geredet werde, müsse auch zwingend über die Rückkehr der medizinischen Versorgung in den ländlichen Raum gesprochen werden: "Wir erschließen den ländlichen Raum als sozialen Raum", wenn die Versorgung zurückkehre. Im gleichen Zuge müsse aber neu über Mobilitätsangebote sowie Kinderbetreuung nachgedacht werden. Dabei stehe keine Stadt für sich allein, die gesamte Siedlungssituation um die Ballungszentren herum müsse einbezogen werden.
Ramelow schloss seine Rede mit der starken Aussage, dass jedem, der strauchelt, auf die Beine geholfen werden muss: "Wir brauchen jeden Einzelnen!" Dazu benötige es neue Chancen für diejenigen, die zur Obdachlosigkeit abgedrängt werden: "Wir brauchen Mitstreiter in der Gesellschaft, die den Finger in die Wunde legen", so der Ministerpräsident. Der Erfolg des Einzelnen dürfe nicht auf dem Rücken des anderen ausgetragen werden: "Wir haben die Diskussion über die Gemeinwohlorientierung aus dem Blick verloren". Die Caritas sei eingeladen, Konzepte und Ideen in die politische Diskussion einzubringen.
Ein abschließendes Wort kam von Bischof Dr. Ulrich Neymeyr, der die Bedeutsamkeit der individuellen sowie nachhaltigen Begleitung betroffener Personen betonte.
An der ordentlichen Vertreterversammlung des Caritasverbandes für das Bistums Erfurt e.V. nahmen 45 Delegierte aus den Mitgliedseinrichtungen und Diensten, aus Kirchgemeinden und aus den Fachverbänden teil. Die Sitzung der Vertreterversammlung findet jährlich statt. Themen sind u.a. die Entgegennahme des Tätigkeits- und Finanzberichtes sowie die Beratung über Grundsatzfragen der Caritas.